Imperiale Lebensweise
Auf einem begrenzten Planeten kann die Imperiale Lebensweise nicht ewig ihren eigenen Voraussetzungen – Ausbreitung und Verlagerung der Kosten – entsprechen
Die Lebens- und Produktionsweise der meisten Menschen im Globalen Norden ist imperial, denn sie kann nur existieren, indem systematisch auf billigste Arbeit und billigste Ressourcen anderswo zugegriffen wird. Sie ist exklusiv und nicht unendlich verallgemeinerbar – denn sie braucht stets Orte und Menschen, auf die die Kosten ausgelagert werden. Da sie sich ausbreitet und intensiviert, stößt sie zunehmend an Grenzen, was zu Erderhitzung, Ressourcenknappheit, Konflikten und Kriegen führt. Trotzdem ist es schwer, diese Lebensweise zu verändern – sie ist stabil, da sie fest in unserem Alltag verankert ist. Es ist kaum möglich, als Einzelperson nicht auf Kosten anderer zu leben, auch weil die Infrastrukturen (wie Autobahnen oder Kohlekraftwerke) und Institutionen (wie Banken, Schulen, Ministerien), die uns umgeben, diese Art zu leben und zu wirtschaften fördern. Stabil ist sie auch, weil Scheinlösungen (wie die Hoffnung auf technologische Innovationen oder einfache politische Antworten) verhindern, dass die tieferliegenden Ursachen der Probleme in Angriff genommen werden.
Paradox an der imperialen Lebensweise ist vor allem, dass die meisten Menschen im Globalen Norden gleichzeitig Ausgebeutete und Ausbeutende sind. Die einen leben auf dem Rücken der anderen. Herkunftsland, Hautfarbe, Geschlecht und weitere nicht beeinflussbare Kategorien bestimmen aufgrund bestehender Diskriminierungsformen wie Rassismus und Sexismus zusätzlich, wessen Rücken dabei wieviel Last trägt. Diese Unterschiede gibt es innerhalb von Gesellschaften, besonders aber auf globaler Ebene zwischen den reichen Ländern des Globalen Nordens und des Globalen Südens. Doch auch im Globalen Süden entstehen mit zunehmender Industrialisierung Narrative, die die imperiale Lebensweise stärken: So gelten Auto, Eigenheim, Fleisch und Flugreisen für alle als erstrebenswert. Während die imperiale Lebensweise für die einen Normalität ist, muss sie für viele andere ein Zukunftsversprechen bleiben um zu funktionieren.
Die imperiale Lebensweise ist schließlich nicht verallgemeinerbar. Sie wird als imperial bezeichnet, weil sie ein ‚Außen‘ voraussetzt, einen Bereich, der stets ausgebeutet werden kann; wo Arbeitskräfte und natürliche Ressourcen billig zur Verfügung stehen. Einen Bereich, auf den auch die entstehenden Probleme und der Müll unserer Lebens- und Produktionsweise abgeladen werden können. Durch die Beschleunigungen westlicher Konsumgesellschaften und durch neue Mittelschichten des Globalen Südens, die ebenso ein Außen benötigen, schrumpft dieser externe Bereich in enormer Geschwindigkeit. Auf einem begrenzten Planeten kann sich die imperiale Lebensweise jedoch nicht ewig ausbreiten.
Quelle
I.L.A. Kollektiv + Periskop (Hg.) (2019): Von A wie Arbeit bis Z wie Zukunft. Arbeiten und Wirtschaften in der Klimakrise. (own translation)
Brand, Ulrich, Wissen, Markus (2017): Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus. Munich: oekom
I.L.A. Kollektiv (Hg.) (2019): At the expense of others. How the imperial mode of living prevents a good life for all. Munich: oekom. Illustration: Sarah Heuzeroth
KAUZpods
Podigee
Microlearnings
Workshops
Auf Kosten Anderer?
Im Workshop „Auf Kosten Anderer?” beleuchten wir die modernen, oft unsichtbaren, Ausbeutungsstrukturen, die dem mitteleuropäischen Wohlstandsmodell zugrunde liegen. Dabei arbeiten wir mit dem Konzept der Imperialen Lebensweise. Es liefert eine Erklärung für folgende widersprüchliche Beobachtung: obwohl es ein zunehmendes Bewusstsein für Klimakrise und soziale Ungleichheiten gibt, spitzen sich beide Krisen zu. Wie ist das möglich und wieso braucht ein Wandel so lange?
Die etwas andere Karte
In diesem Workshop nutzen wir die Methode des kollektiven, kritischen Kartierens. Diese ermöglicht uns, die Normalität zu hinterfragen, mit der wir unsere Umgebung annehmen. Wir erforschen, welche Strukturen uns in unsolidarisches Verhalten drängen. Zugleich suchen wir im Workshop nach Beispielen für Strukturen, die ein sozial und ökologisch nachhaltiges Leben unterstützen und im Hier und Jetzt bereits verankert sind.