Sorgearbeit & Gesellschaft

Destroy the patriarchy not the planet!

Sorgearbeit bleibt in unserem System oft unsichtbar. Care und Sorgearbeit werden synonym verwendet, wir verstehen darunter die Gesamtheit der familiären und ehrenamtlichen Sorge für Andere (z.B. Hausarbeit, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen oder Nachbarschaftshilfe), die bezahlte Sorgearbeit in Institutionen wie in Kindergärten, Krankenhäusern und Senior*innenenheimen, sowie die Sorgearbeit für sich selbst. Weltweit verrichten Frauen* drei Viertel der unbezahlten Betreuungsarbeit, mehr als dreimal so viel wie Männer*. 

 

Sorgearbeit kann auch noch breiter gedacht werden, als alle Handlungen, die für das Bestehen und die Erneuerungen der Gesellschaft sorgen, z.B. der Ausbau des Wohlfahrtsstaats, der Schutz unserer Umwelt, aber auch konkret gelebte Solidarität. Ohne Care Arbeit würde jede Gesellschaft zusammenbrechen. Denn das Füreinander-Sorgen ist der Kern von jeglicher Wirtschaft. Doch so naheliegend das klingt, so anders laufen die Dinge im Moment: Damit die Wirtschaft weiter wachsen kann, werden vor allem Frauen* und Migrant*innen ausgebeutet, sowie die ökologischen Lebensgrundlagen zerstört.

Globale Sorgeketten

Ein Beispiel dafür sind Global Care Chains (Globale Pflegeketten). Damit ist gemeint, dass Menschen aus Ländern mit niedrigem Einkommensniveau in Ländern mit höherem Einkommensniveau Pflegearbeit verrichten. Das Modell wurde ursprünglich von Sorgearbeiter*innen aus Südosteuropa selbst entwickelt, damit sie ihre Belange in den Herkunftsländern regeln und gleichzeitig erwerbstätig arbeiten können. Jedoch ist das Modell mittlerweile hoch kommerzialisiert und nur durch die Ausbeutung der Sorgearbeiter*innen profitabel. Menschen in Ländern mit hohem Lohnniveau profitieren von den zusätzlichen Fachkräften (care gain), während z.B. in der Slowakei oder Rumänien eine Betreuungslücke in den Familien der Sorgearbeiter*innen entsteht (care drain), die in der Regel von Verwandten oder engen Bezugspersonen gefüllt werden muss. Global Care Chains tragen dazu bei, den zutiefst geschlechtsspezifischen Konflikt über die ungleiche Verteilung der unbezahlten Pflegearbeit in westlichen Ländern zu entschärfen.

Diejenigen (in der Regel Frauen*), von denen erwartet wird, dass sie unbezahlte Betreuungsarbeit für ihre Familien leisten, können sich nun dafür entscheiden, darauf zu verzichten. Für Frauen* aus Niedriglohnländern, die auswandern müssen, um ihre Rechnungen oder Schulden zu bezahlen, ist diese Wahlmöglichkeit nicht gegeben. Global Care Chains sind eine problematische Lösung für ein immer drängenderes Problem: Die prekären Arbeitsbedingungen von Pflegekräften. Global Care Chains sind politisch etabliert und werden über Migrationssysteme kanalisiert. Sie stabilisieren das bestehende Pflegesystem und die Geschlechterverhältnisse und lösen nur scheinbar das Problem des Pflegenotstands in wohlhabenderen Ländern. Ähnlich wie bei der Ausbeutung natürlicher Ressourcen, werden periphere Länder auch durch die Abwanderung von Pflegekräften auf ausbeuterische Weise um lebenswichtige Ressourcen gebracht.

Care-Gesellschaft

Das Gegenmodell zu Ausbeutung ist eine Gesellschaft, die sich am Prinzip des Füreinander-Sorgens ausrichtet. Die sogenannte Sorge-Gesellschaft baut auf dem bewussten Wahrnehmen von Bedürfnissen und Bedürftigkeiten auf. Wir brauchen eine care revolution, damit sich nicht nur Menschen mit viel Geld, professionelle Care Arbeit leisten können. Und damit Sorgearbeiter*innen faire Arbeitsbedingungen und Löhne bekommen und unbezahlte Sorgearbeit gerechter aufgeteilt werden kann. Denn wir alle sind im Leben auf die Pflege und Sorge von Anderen angewiesen. Und genau dafür brauchen wir neue Ideen. Das beinhaltet eine neue Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, Arbeitszeitverkürzung, Zeitsouveränität, das aktive Arbeiten an gender-Gerechtigkeit und existenzielle Sicherheit.

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